Abbildung DNA-Strang

Bruckners DNA?

Ein Artikel von Andreas Lindner

Auf den Spuren Bruckners mittels DNA-Analyse

Im April 2008 erreichte das Anton Bruckner Institut Linz (ABIL) eine ungewöhnliche Anfrage: Der Musiker und Musikschriftsteller Dr. Viktor Redtenbacher kontaktierte das Institut in Hinsicht auf eine DNA-Probe von Anton Bruckner. Im Hintergrund stand die potentielle Vaterschaft Bruckners, welche in der Vergangenheit bereits mehrfach für Diskussionen sorgte.

 

Demnach wäre einer in der Familie Schiedermayr-Weißgärber kursierenden Überlieferung zufolge Berta Barghesi (1855–1923), adoptiere Schiedermayr und später mit dem Ottensheimer Oberlehrer Alois Weißgärber (1845–1914) verheiratet, eine leibliche Tochter des Komponisten.[1]

Redtenbacher widmete sich der Untersuchung trotz fortgeschrittenen Alters mit großer Hingabe. Klarheit sollte mit den Möglichkeiten neuer Ermittlungsmethoden in Form eines DNA-Vergleichs geschaffen werden. Für die Laboruntersuchungen stand die Firma DNA-Confidence, Analysen GmbH, in Wien zur Verfügung. In einem ersten Schritt wurde im April 2008 „aus einem umgedrehten Handschuh (einer Urenkelin [Bruckners]) mit Erfolg Beweismaterial gesichert“.[2] Der angesprochene Handschuh stammte aus dem Besitz von Beatrix Fröhlich (1919–2008), geborene Weißgärber, eine Enkelin Berta Barghesis.

Als Vergleichsprobe sollte ein von Bruckner stammendes Kopfhaar aus einer nicht näher bezeichneten Quelle aus Steyr dienen. Das Haar schied letztendlich aus, da es über keine für die Analyse notwendige Haarwurzel verfügte. Redtenbacher wandte sich an das ABIL um Ersatzproben und bat um den aus dem Besitz Bruckners stammenden und im Institut verwahrten Zylinderhut des Komponisten. Noch vor Abschluss der Arbeiten verstarb Dr. Redtenbacher Anfang des Jahres 2009. Angehalten durch das Bemühen ihres Vaters nahm sich dessen Tochter, die Pathologin Dr. Susanne Redtenbacher, der Klärung der Frage an. Im April 2009 entnahm sie im ABIL dem Zylinderhut eine Probe und legte diese dem Wiener Labor vor.

Die mittels Vergleich von gekoppelt vererbten X-chromosomalen STR-Mustern anhand von 8 STR-Markern durchgeführte Gegenüberstellung führte zu folgendem Ergebnis:

In keiner der vier Kopplungsgruppen der X-chromosomalen Marker gibt es Übereinstimmungen zwischen dem Profil aus den Handschuhen von Frau Fröhlich und dem der gebrachten Proben des Zylinderhutes von Anton Bruckner. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Verwandtschaft über die X-chromosomale Vererbung besteht, ist wesentlich geringer als die, dass keine solche besteht. Es ist daher anzunehmen, dass Frau Fröhlich keine Nachfahrin von Anton Bruckner ist.[3]

Zu bemerken gilt allerdings, dass die Auswahl der Proben starke Defizite aufweist. So ist der Zylinderhut inzwischen durch viele Hände gegangen, ein Umstand, der die Wahrscheinlichkeit, dass die entnommenen Partikel von Bruckner stammen, entscheidend reduziert. Die Lösung der Frage scheint unter diesem Aspekt weiterhin offen.

Foto von Maximilian Weißgräber

Maximilian Weißgärber (1884-1951), Sohn von Berta Barghesi. Aus: Renate Bronnen, Die Weißgärber-Geschwister, in: Bruckner-Jahrbuch 1984/85/86, Linz 1988, S. 45.

Aufgrund seiner Verbindung zu Oberösterreich und seinem fruchtbaren Wirken als Musiker sei an dieser Stelle noch kurz auf die Person Viktor Redtenbachers eingegangen. Redtenbacher, geboren 1920 in Wien, stammte aus einer alten Kirchdorfer Familie, wo er auch einen zweiten Wohnsitz unterhielt. Er studierte Rechtswissenschaft und gleichzeitig Violine an der Musikakademie. Im Jahr 1947 wurde er an die Wiener Staatsoper engagiert, später übernahm er eine Violinistenstelle im Orchester der Wiener Volksoper. Von 1955 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1983 war er als Konzertmeister beim Symphonieorchester des Österreichischen Rundfunks und gleichzeitig als Leiter der dortigen Kammermusikvereinigung tätig, daneben stand er als Solist im Blickfeld der Öffentlichkeit.[4] Zusammen mit Friedrich Cerha gründete er das Konzertpodium Die Reihe.[5]

In seiner Doktoratsarbeit in Rechtswissenschaft aus dem Jahr 1948 beschäftigte er sich mit dem Thema „Oper und Verbrechen: Eine kriminologische Studie über Verbrechenshandlungen in der Oper“. In dieselbe Richtung weist die Abhandlung (K)ein Evangelimann: Die historische Brandlegung (Wien 1991), in welcher er die historischen Hintergründe der Oper Evangelimann von Wilhelm Kienzl beleuchtete. Seine Erlebnisse als Musiker brachte er in der Publikation Zwischen Pauke und Taktstock: Erfahrungen und Ratschläge eines Konzertmeisters (Zürich 1984) zu Wort.

 


[1] Vgl. Beatrix Weißgärber-Fröhlich, Vorfahren meines Vaters, in: Bruckner-Jahrbuch 1984/85/86. Linz 1988, S. 25 f; Renate Bronnen, Die Weißgärber-Geschwister, in: Ebenda, S. 27 ff.
[2] Brief Viktor Rettenbachers an das ABIL, 13.5.2008. Archiv Anton Bruckner Institut Linz.
[3] Untersuchungsbericht der Fa. Confidence DNA-Analysen GmbH, Wien, ausgestellt am 19.6.2009.
[4] Redtenbacher ist u. a. der Widmungsträger des Violinkonzertes op. 65 (1961) von Robert Schollum.
[5] OÖ. Nachrichten. 1000 Landsleute: Viktor Redtenbacher. www.nachrichten.at/oberoesterreich/serien/landsleute/art10236,, 45971 (download vom 10.11.2009).

 

Quelle: ABIL Anton Bruckner Institut Linz Mitteilungen, Nr. 4 Dezember 2009

Foto Andreas Lindner

Andreas Lindner

Musik prägt sein Leben: Musikgymnasium Linz, Instrumentalstudium am Konservatorium und später an der Musikuniversität Wien. Promotion in Musikwissenschaft, danach Tätigkeiten bei der Akademie der Wissenschaften, beim ORF und der Wiener Staatsoper. Seit Jahren nun Archivar der Wiener Philharmoniker, daneben wissenschaftlicher Mitarbeiter des Anton Bruckner Institutes Linz.

< zurück zur Übersicht
WordPress Cookie Plugin by Real Cookie Banner