Christine Hinterkörner alias Crystn Hunt Akron lässt Anton Bruckner in ihrer Performance Halluzination – Anton Bruckners Phantasmagorie mittels KI wiederauferstehen. Nirgendwo könnte das besser funktionieren als in einer Kirche. Im Interview erzählt die multidisziplinäre Musikerin über die Genese ihres Projekts.
Was fällt Ihnen zu Bruckner ein?
Ich habe an der Anton Bruckner Privatuniversität Jazz- und Popgesang sowie Musik und Medientechnologie studiert und habe das Anton Bruckner Kompositionsstipendium. Was mich mit ihm verbindet, ist natürlich, dass ich auch kompositorisch arbeite. Als Madame Humtata habe ich für ein 80-köpfiges Brass Orchester in Spanien eine Partitur für 21 Stimmen geschrieben, die in Alcoí uraufgeführt wurde. Eine große Herausforderung, so etwas macht man nicht alle Tage.
Oder lässt es die KI machen?
Dieses Thema beschäftigt mich bereits seit geraumer Zeit. Im Ars Electronica Center ist der Bösendorfer Flügel Imperial 290 CEUS zu finden, der autonom spielt. Dieses Instrument wurde mit klassischen Stücken trainiert. Als ich mir die Musik anhörte, war mein erster Gedanke: beeindruckend! Die Klangqualität und Komposition war wirklich erstaunlich. Im nächsten Moment war ich ziemlich verärgert und fragte mich, wo dies alles hinführen sollte? Geht man dann zum Konzert und schaut sich einen Flügel an?
Der KI-Experte und Musiker Ali Nikrang vom Ars Electronica Futurelab sagt Nein…
Und für mich war dies der Moment, der mich dazu anregte, intensive Gespräche und Diskussionen mit Fachleuten und Gleichgesinnten im Umfeld des Ars Electronica zu führen. Zu dieser Zeit war Künstliche Intelligenz noch nicht der breiten Öffentlichkeit zugänglich. In zahlreichen Gesprächen stellte ich unzählige Fragen zur KI und erkannte schließlich, dass ich unbedingt ein Projekt dazu im Bruckner-Jahr 2024 einreichen möchte.
Hatten Sie den richtigen Riecher für die gesellschaftliche Entwicklung?
Ja, aber es war auch so, dass ich persönlich Angst hatte vor der KI. Dieser Angst wollte ich entgegentreten und mit der KI arbeiten, sie erforschen und kennenlernen.
Ich wollte auch wissen, was die KI mit mir als Künstlerin macht. Ob sie mir vielleicht dienlich ist, mich inspiriert? Als ich die Ausschreibung zum Bruckner-Jahr sah, habe ich mir gedacht, es wär doch super, wenn man den Bruckner „wiederauferstehen“ lässt durch KI-Musik. Und … er halluziniert quasi.
Ich habe Ali Nikrang, der selbst Musiker und Experte in Sachen KI-Musik ist, kontaktiert, mit der Frage, ob er mit mir gemeinsam an dem Projekt arbeiten will. Von Ali Nikrang kam dann der Vorschlag, es halluzinieren zu lassen. Wir wollten ja kein Stück, das genauso klingt wie das Original. Ali Nikrang hat die KI trainiert, um so Muster zu erkennen, Muster zu übernehmen und so wie Bruckner „zu komponieren“ – Akkord-, Melodieabfolgen, rhythmische Modelle aufzunehmen. Über ein halbes Jahr lang hat Ali Nikrang die KI trainiert und jetzt ist das Stück fertig. Darin erinnert sich die KI quasi an Erinnerung, ein Stück, das Anton Bruckner 1868 komponiert hat. Das Ganze wird als Live-Konzert Performance, KI-Musik und Visualisierung in der Pfarrkirche Urfahr-St. Josef zu einem halluzinogenen Erlebnis.
Warum gerade eine Kirche als Veranstaltungsort?
Vielleicht haben Anton Bruckner und ich da auch eine Verbindung. Ich liebe es, in Kirchen zu performen. Mein Vater war 25 Jahre lang Mesner. Kirche war in meiner Kindheit sehr präsent und mir war das dort unglaublich langweilig. Interessiert hat es mich nur dann, wenn die Orgel spielte. Ich habe mir dann immer den Kirchenchor angehört und mir im Geiste notiert, was ich anders machen würde. Was ich auch sehr geliebt habe, war und ist, mit meiner Mutter Kirchenlieder zu singen.
Die Kirche ist als Raum basierend auf vielen Klangquellen sehr spannend, um zu performen. In Weitersfelden setzte ich ein Projekt mit Chor, Orgel, Harfe, Blasmusikkapelle, Electronics um. Dabei wurden die Songs von meinem letzten Album „Lick My Fur“ aufgeführt. Bei dem Pro- © Christopher Noelle jekt Halluzination werden unter anderem Patrik Huber/Rezitation, Stefan Mittelböck/Noise und Tanzstudierende der Anton Bruckner Privatuniversität unter der Leitung von Iris Heitzinger performen, Chris Noelle und Gerald van der Kolk liefern die Visualisierung. Mit dem Bürgermeister von Kefermarkt, Herbert Brandstötter, und seinem Quartett sind vier Alphörner sowie Posaune und Horn dabei und ich singe, spiele auf der Orgel und einem Synthesizer. Bei diesem Projekt wird der ganze Raum der Kirche visuell und akustisch einbezogen bzw. auratisch transformiert. Eine Reise von traditionell bis Avantgarde. Es wird ein ziemliches Spektakel!
Das Interview führte Inez Ardelt