Bruckner! Bewegt, heiter*

*Satzbezeichnung des Scherzos der „Neunten“

Es gibt nicht einen Bruckner, sondern mehrere. Und wenn ich dies so schreibe, dann meine ich ihn in seinen Klängen vom „Pange linqua“ des Teenagers bis zur unvollendeten 9. Sinfonie des Sterbenskranken, von der Kirche bis zum Wirtshaus, von Ansfelden bis New York, wo seine „Dritte“ schon zu seinen Lebzeiten gespielt worden ist, von der Erde zum Himmel und retour.

Ich meine einen heldenhaften, einen zweifelnden, einen rätselhaften, einen sinnierenden, einen, dem ein einziges Tremolo genügt, um einen Raum aufzustoßen, einen, der sich auf die Gewalt der Sintflut versteht, einen, der auf den Tanz vertraut, einen, der sich vor der Tradition verbeugt, dazwischen singt, einen, der im Handwerk Sicherheit findet, um die Regeln und den Raum ins Unendliche zu expandieren, einen, der sich wie wenige vor ihm sein Drama nicht im Drama findet, sondern in einem Wald, der keiner ist, einer, der aber auch in das Wesen und Geheimnis der Natur eindringen will, einen, der die Grenze nicht akzeptiert, um Wände zu verschieben oder Durchlässigkeit zu beweisen, einen, der im Maschinenraum der Musik sein Ich verliert, um sich und uns Raum zu schaffen.

Es gibt nicht einen Bruckner, sondern mehrere. Ich muss diesen Satz noch einmal schreiben und meine den Menschen, die Figur, die Persönlichkeit, die in ihrer Disparatheit nicht zeitgemäßer sein könnte. Ein Mensch, der nie aufgegeben hat, der selbst in der größten Niederlage den nächsten Schritt versucht, der dem Zweifel wie kein Zweiter zu trauen scheint, der mit Selbstgewissheit seiner Bestimmung folgt. Bruckner ist nicht zu fassen und das ist gut so.

Ein Werk sollte nie mit seinem Schöpfer, seiner Schöpferin verwechselt werden. Die Person Bruckners fassen zu wollen, bedarf Auseinandersetzung. Ein paar wenige Bücher im Regal sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Konstruktionsleistung seiner Sinfonien eines hochintellektuellen, genialen Kopfes bedurfte, der sich Zeit seines Lebens ausgebildet und freigelegt hat. Die scheinbare Ungeschicklichkeit im Umgang soll nicht vergessen lassen, wie prominent er seine Bestattung geplant und für die Nachwelt hingekriegt hat.

Es gibt nicht einen Bruckner, und es gibt uns. Der Mensch Bruckner führt uns in diesem Jahr besonders ins vielfältige Jetzt – und noch viel wichtiger, er bringt uns zusammen, er bringt uns in Bewegung. Seine Musik führt ohnehin immer in den Augenblick. Musik kann gar nicht anders. „Die Aufgabe der Kunst besteht darin, Türen zu öffnen, wo sie keiner sieht.“, sagte Peter Weibel, ein anderer großer Oberösterreicher. Heuer sehen, öffnen wir viele Türen und gehen durch sie durch. Es sind Öffnungen zu uns und in die Welt.

Portrait Norbert Trawöger

Norbert Trawöger
Künstlerischer Leiter Anton Bruckner 2024

Ebenfalls aus der Reihe „Mit Bruckner durchs Jahr“:

Aufbruch ins ABenteuer!

Das Bruckner-Jahr startete mit einem wahren Konzertreigen, der sich über Linz, Haid und Kirchdorf bis hin nach Wien zog und die erste OÖ KulturEXPO mit einem musikalischen Feuerwerk gebührend aus der Taufe hob.

Wir sind eine Sinfonie!

„Bruckner is coming home“ wurde für die Planung der ersten OÖ KulturEXPO ausgerufen, was nichts anderes heißt, als über ihn in der Gegenwart ins Gespräch zu kommen. Genau das macht Norbert Trawöger, Künstlerischer Leiter Anton Bruckner 2024, in seiner Reihe „Mit Bruckner durchs Jahr“.

Aussi, eina.

Im Artikel setzt sich Norbert Trawöger mit den Sprach- und Klanglandschaften von Oberösterreich, die untrennbar in Verbindung mit dem Genius Loci Anton Bruckner stehen und in der OÖ KulturExpo 2024 anlässlich seines 200. Geburtstag über alle Grenzen hinaus getragen werden, auseinander.

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